Es hat sich eingebürgert, Kantone als Bestimmungsgrössen für die Einteilung von dialektalen Sprachformen heranzuziehen. Sie ist zweckmässig, bildet aber die Realität nur bedingt ab.

Es gibt kein eigentliches Freiburgerdeutsch, sondern vier Deutschfreiburger Mundarten: das Murten-, Jaun-, Senslerdeutsch und das Bolz (eine Mischform zwischen Senslerdeutsch und französischen Wörtern, Wendungen und Sätzen).

Senslerdeutsch

Jaundeutsch

Murtendeutsch

 

Schnee, Chees

Schnia, Chies

Schnee, Chääs

Schnee, Käse

so, grossi

sua, gruessi

so, groossi

so, grosse

lööse

lüese

lööse

lösen, giessen

Lann

Lond

Land

Land

Miitli

Meitli

Meitli

Mädchen

Jùùner

Jouner

Jouner

Jauner

Bǜǜm

Böüm

Böim

Bäume

 

Senslerdeutsch

Das Senslerdeutsch im deutschen Teil des zweisprachigen Kantons Freiburg gehört zu den wenig bekannten Sprachformen des Schweizerdeutschen, gleichzeitig aber zu den am besten erforschten. Dass die Mundart wenig bekannt ist, liegt in der demographischen Kleinheit und der geographischen und kulturellen Randständigkeit der katholischen Region begründet, die im Norden und Osten an protestantische Nachbarn, im Süden an die Voralpenkette, im Westen an das französische Sprachgebiet grenzt. Ihrer Isolation verdankt die Mundart ausgeprägte Besonderheiten.

Einordnung

In der Spannung der gesamtschweizerischen sprachlichen West-/Ost-Gegensätze steht das Senslerdeutsch eindeutig beim Westen. Die Gegensätze zeigen sich beispielsweise am u-Laut: Man sagt hier - in Übereinstimmung mit Bern und dem Wallis - etwa Brügg 'Brücke' und Lücka 'Lücke' statt ostschweizerisch Brùgg und Lùcke.
Im Rahmen der Nord-/Süd-gegensätze gehört der Dialekt entschieden zum Süden: etwa in der Bewahrung des unverdumpften a in Aabe 'Abend' statt nördlichem Oobe oder in der Sonderentwicklung von altoberdeutsch (bairisch und alemannisch) iu in tüüf 'tief'.

Überdies hat das Senslerdeutsche Teil an besonderen Merkmalen, die für die Sprachforschung das sogennante Höchstallemannische begründen. Zum Inventar höchstallemannischer Kriterien gehören unter anderem die Entwicklung von germanisch -nk- zu -(n)ch- wie in trinken > triiche 'trinken', das Ausbleiben der sogenannten Hiatusdiphtongierung: schnye statt schneie 'schneien', buue statt boue 'bauen', rüüe statt reue 'reuen'. Und die Flexion des prädikativen Adjektivs: är isch auta / si isch auti / as isch auts 'er/sie/es ist alt'.

Im nochmals engerem Rahmen erweist sich der südwestliche Charakter des Senslerdeutschen im Zusammengehen mit Bern etwa in den Fällen Chrüka 'Krücke', ù 'und' sowie Spycher 'Speicher'. Schliesslich ist auf die Fälle hinzuweisen, wo Freiburg zusammen mit dem Wallis eine südwestliche Randlandschaft darstellt: so beispielsweise in der Umschreibung des Inchoativs und Passivs mit kommen statt mit werden: si chùnnt vùrùckti 'sie wird wütend', är chùnnt gschlagna 'er wird geschlagen'.

aus dem Band: «Freiburgerdeutsch» der «Schweizerischen Akademie des Geistes- und Sozialwissenschaften», 2009